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Die Leiche im Keller… (2)

Bevor man sich an etwas Neues wagt, sollte man das Handbuch lesen…

Okay, genug der Witze – ich bin von Haus aus Tekkie und Handbücher sind die Dinger, in die man reinschaut, wenn man eine Sache schon kaputt-probiert hat.

Das Opfer...

Das Opfer in seinem Überführungs-Sarg 😉

Ich stehe also nun vor einer Saxophon-Leiche und mache mich an die Obduktion. Zu jeder Saxophon-Reparatur gehört, dass man sich darüber klar wird, was für ein Instrument (Bauart, Material, Eigenheiten) man vor sich hat. Im vorliegenden Fall ist der eingravierte Name „Impala“ nicht einmal der Hauch einer Hilfe. Die ergänzende Gravur „Ges Gesch Bayreuth“ kann auch alles und nichts heissen. Ein erster Anhaltspunkt, dass es sich bei diesen Beschriftungen nicht um Originalgravuren des eigentlichen Herstellers handelt, ergibt sich aus der Tatsache, dass sie erkennbar nach der sonstigen Bechergravur angebracht wurden – die Schriftzüge sind nämlich teilweise korrodiert, was bei der übrigen Gravur nicht passiert ist. Auch findet sich rückseitig unter der Seriennummer ein Bereich, der aussieht, als sei hier etwas übergraviert oder weggekratzt worden. Dies könnte z.B. eine Firmen- oder Herkunftslandmarkierung („Made in Sonstwo“) gewesen sein.Bechergravur

Gut, so kommen wir nicht weiter, also gehen wir ins Detail. Erster Schritt: Altersbestimmung.

Das Instrument ist in Bicolor ausgeführt, der Korpus ist goldlackiert, die Klappen (oder was davon übrig ist) vernickelt. Diese Ausführung sowie die vernickelten und aufgeschraubten Klappenschutzbleche sprechen für ein Design aus den 60er bis 70er Jahren. Die gleiche Sprache spricht auch der sog. „Tisch“ (Hebel für die H-B-Cis-Gis-Mechanik), dessen Ausführung derjenigen entspricht, die B&S/Weltklang bis in die 80er Jahre bauten, und die sich ansonsten bei vielen Saxophonen zwischen 1950 und Mitte der 70er Jahre findet. Damit die „schlechte“ Nachricht: Es ist eindeutig nichts mit „Vintage“. Die gute Nachricht: Es könnte tatsächlich noch jemand leben, der was über die Entstehung dieses Saxophons weiss. Also suchen wir weiter.

Zweiter Schritt: Hersteller ermitteln.

Eine Firma Impala mit Bezug zu Bayreuth gab es offenbar nicht. Zumindest konnten angemailte Musikalienhändler aus Bayreuth ebensowenig helfen, wie kreatives Googeln nach Hinweisen. Spekulationen in Richtung „Ostblock-Sax“ verboten sich wegen der Bauart und insb. der sehr aufwändigen Fertigung mit auf großflächigen Blechen aufmontierten Böckchen, die dann als Baugruppe auf den Korpus aufgelötet sind, der auffällig ziselierten Verbindungsringe zwischen Korpus, Bogen und Becher, sowie der generellen Klappenanordnung, die für Amati und B&S als „Hauptverdächtige“ vollkommen untypisch ist. Ein Hinweis darauf, dass Keilwerth auch schonmal gern für andere Firmen „Stencils“ gebaut habe, brachte mich darauf, an der Quelle nachzufragen. Die Auskunft kam postwendend: Man sei dort 100% sicher, dass dieses Sax nicht aus Keilwerth-Produktion stamme, schließe aber ebenfalls eine Ost-Herkunft aus. Am ehesten könne es sich um ein italienisches Fabrikat handeln.

Verbindungsringe am Bogen

Die Verbindungsringe – ein Herkunftshinweis?

Treffer – versenkt. Ein bisschen einschlägige Saxophonbilderseiten durchforstet, auf eBay nach italienischen Saxophonen gesucht, und da waren die fehlenden Hinweise:

Die gesamte Bauart, und insb. die auffällig ziselierten Verbindungsringe sprechen dafür, dass es sich hier um eine Bauweise handelt, die bei Grassi oder Orsi üblich war. Damit bestätigt sich, dass es sich in jedem Fall um ein ehedem hochwertiges Instrument handelt, und man im spielfähigen Zustand durchaus einiges davon erwarten könnte – wenn es denn jemals wieder „singen“ sollte…

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