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Vintage-Saxophone

 

Vintage Saxophone sind im wesentlichen gebrauchte Hörner, die vor sehr langer Zeit benutzt wurden - bzw. über seinen sehr langen Zeitraum hinweg, da gibt es sicherlich geteilte Ansichten. Wenngleich die Bezeichnung leider oft für jegliches Alt-Blech mit einer Menge Dellen und Kratzern verwendet wird, meint sie doch vor allem historische Profi-Instrumente die mindestens ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben.

In einigen Kreisen sind Saxophone mit einer eigenen Geschichte hochangesehen - so in etwa wie ein makellos restaurierters englisches Sport-Cabrio, um eine Parallele zwischen Vintage Saxophonen und Oldtimern zu ziehen. Im Gegensatz zu klassischen Autos sind Saxophone jedoch einem erheblich geringeren Verschleiß unterworfen, weshalb so manches mit Leichtigkeit seinen ursprünglichen Besitzer, und manchmal sogar dessen Nachfahren überlebt.

Die interessantesten Vintage Saxophone sind solche, die reich verziert sind - ihre Gravuren sind z.T. atemberaubend, und sie kommen oft mit aufwändigem Finish wie z.B. versilbert mit vergoldeter Becher-Innenseite, besonders schönen Perlmutteinlagen und ähnlichem. Generell sind sie in der Gestaltung einfallsreicher als ihre modernen Nachkommen.

Es gibt Saxophonisten, die behaupten, dass diese Hörner - nachdem sie länger "gesungen" haben als ihre heutigen Besitzer auf der Welt sind - mehr Tricks drauf haben und generell mit mehr Seele spielen. Sicherlich muss man auch ein Stück weit daran glauben, wenngleich es ganz klar bauartbedingte Gründe gibt, warum sie zumindest anders (und eben für viele Enthusiasten "besser") klingen als moderne Kannen.

So interessant und erstrebenswert ein Vintage Saxophon erscheinen mag, es gibt da ein paar ernstzunehmende Erwägungen, vor allem, wenn es Dein erstes Saxophon sein soll:

- sie sind teuer:

Lange Zeit waren alte Instrumente vor allem eins - annähernd unverkäuflich, und zwar, weil sie niemand haben wollte. Momentan jedoch reissen sich die Leute förmlich um diese Teile, und es gibt Modelle, deren Preis den eines guten neuen Saxophons erheblich übersteigen kann.

- nicht jedes alte Horn ist ein gutes Horn:

Selbst die namhaftesten Saxophonhersteller haben irgendwann in ihrer Geschichte mal richtigen Murks produziert. Es gibt durchaus wunderschön anmutende Vintage Saxophone, die muffig oder quietschig klingen oder eine furchtbare Intonation haben. Insofern ist ein bisschen Vorsicht angebracht, wenn Du ein gebrauchtes Horn angeboten bekommst, dass trotz hohen Alters irgendwie unbenutzt - "wie neu" - aussieht. Wenn schon der erste Besitzer wenig oder nicht auf dem Horn gespielt hat, kann das gute Gründe gehabt haben.

- die Ersatzteilbeschaffung ist schwierig:

An sich überflüssig zu erklären, selbst Saxophonhersteller, die heute noch produzieren, gehen natürlich mit der Zeit, und Ersatzachsen oder spezielle Schrauben für ein 50 Jahre oder älteres Sax zu bekommen wird dann irgendwann problematisch. Irgendwo zieht da wieder der Auto-Vergleich. Im schlimmsten Fall muss ein benötigtes Teil vom Spezialisten in Handarbeit angefertigt werden. Den Rest regelt dann hoffentlich Dein Scheckbuch...

- sie klingen nicht immer so gut, wie sie aussehen:

Ein Saxophon ist keine Stradivari - es gibt also nicht so etwas wie das "verlorene Geheimnis" des Saxophonbaus. Zwar sind einige Details der Bauform über die Jahre verändert worden, die prinzipiell den Klang beeinflussen, aber moderne Technik und sorgfältige Arbeit vorausgesetzt kann ein modernes Horn in jeder Hinsicht so gut klingen wie seine Vorfahren - und dank besserer Materialien durchaus eine breitere Klangpalette liefern. Nichtsdestoweniger haben die Vintage Saxophone einen speziellen Sound - oder anders gesagt, gerade diese Vielseitigkeit ist bei Vintage nicht unbedingt erstes Auswahlkriterium.

- sie sind nicht immer leicht zu spielen:

Da bei den alten Saxophonen ein viel höherer Handarbeitsanteil im Spiel war, ist die Applikatur nicht so exakt platziert wie bei modernen Instrumenten. Das in Verbindung mit den damals verfügbaren Materialien trägt nicht unbedingt zur Leichtgängigkeit der Mechaniken bei.

- einige sind ein wenig eigentümlich:

Die Saxophon-Applikatur hat sich über die vergangenen 150 Jahre weiterentwickelt. Schaut man sich ein historisches "Adolphe Sax" Instrument an, und vergleicht es mit einem modernen Sax von der Stange, so fallen einem einige zusätzliche Tasten, und z.T. erheblich geänderte Anordnungen auf. Einige Klassiker haben auch Eigenentwicklungen des Herstellers beinhaltet, die eine evolutionäre Sackgasse darstellten. Es mag zwar spannend sein, ein Horn zu besitzen, mit dem nicht jeder Saxophonist auf Anhieb klar kommt, aber Du selbst solltest damit auf jeden Fall klar kommen!

Wie bei "normalen" gebrauchten Instrumenten bedarf es auch hier eines erfahrenen Saxophonisten, wenn es darum geht, den Wert und die Spielfähigkeit eines Horns zu ergründen. Wenn Du gerade erst anfängst, hast Du vielleicht besseres zu tun, als Dich mit den Eigenwilligkeiten einer alternden Kanne auseinanderzusetzen.

Vintage Saxophone zu sammeln und zu spielen kann ein faszinierendes Hobby sein - vor allem wenn Du über diverse Platin-Kreditkarten verfügst oder einfach nur auf alles aus der guten alten Zeit stehst. Es gibt einige sehr erstrebenswerte Modelle, und wenn Du Dich länger mit der Materie befasst, wird vielleicht auch das ein oder andere historische Modell auf Deiner Wunschliste oder in Deinem Wohnzimmer landen - um mit dem Saxophonspiel zu beginnen, sind sie jedoch nicht wirklich der kürzeste Weg.

Die Wahl der Bauform

Als Neueinsteiger wirst Du nicht auf die abenteuerliche Idee kommen, mit dem Contrabass-Saxophon anzufangen - selbst wenn Du Dir eines leisten könntest.

Auf die für Anfänger üblichen Baugrößen Alt und Tenor bin ich weiter vorne schon eingegangen. Generell gibt es keinen schwerwiegenden Grund, nicht alternativ mit einem Sopransaxophon anzufangen - ausschlaggebend für Deine Wahl sollte immer sein, welche Musik Du auf dem Saxophon spielen möchtest.

Technisch gibt es wenige Gründe für oder gegen die eine oder andere Bauform. Sopran und Tenor sind in Bb gestimmt, das Alt in Eb (Es). Alle drei sind also transponierende Instrumente, um die Beschäftigung mit den Themen Tonarten und Transponieren kommst Du also nicht herum - aber sei versichert, es formt den Charakter.

Die Wahl der Baugröße kann teilweise durch Deine körperliche Konstitution vorgegeben sein - das Saxophon wird normalerweise vor dem Körper gehalten, was eine gewisse Belastung des Rückens mit sich bringt. Kleine Saxophone sind demnach orthopädisch unkritischer als große. Insofern ist das Alt-Saxophon für viele Neueinsteiger das gesunde Mittelmaß.

Schließlich gibt's dann noch den "Vorbildeffekt". Jeder, der als Erwachsener mit dem Saxophon anfängt, hat irgendeine Lieblingsmusik bzw. einen Lieblingsinterpreten auf dem Saxophon. Und auch wenn Dir immer wieder gesagt werden wird, "versuche nicht, wie der und der zu klingen - versuche wie Du selbst zu klingen" - dieses Vorbild wird Deine Instrumentenwahl beeinflussen, und das ist auch gut so, denn es unterstützt Deine Motivation.

So, und nun genug geredet. Ob Dich die o.g. Erwägungen interessieren, oder Du Dich einfach nur in eine bestimmte Bauform auf Anhieb verguckt hast - kauf' Dir ein Horn und leg los!

 

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©2005 Gereon Stein - Verwendung auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors

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