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Die Auswahl des Horns

 

Der Kauf eines Saxophons sollte niemals nach oberflächlichen Kriterien erfolgen - und insbesondere beim ersten Saxophon auch eher nicht online!

 

Ein Saxophon hat eine eigene Persönlichkeit, und da Du als angehender Spieler ebenfalls eine besitzt, solltet Ihr zusammen passen. Wenn Du Dir ein Saxophon aussuchst, ist eine Versuchung da, sich das "beste Horn" zu kaufen, und dabei vor allem nach Empfehlungen und dem Aussehen zu gehen - Falsch. Setzen. Sechs.

Eine weitere Versuchung liegt darin, am Anfang "Schadensbegrenzung" zu betreiben und ein billiges Saxophon zu kaufen. Der Blick auf das Preisschild verschließt aber die Augen für ein wirklich gutes Instrument. Also auch nicht so prickelnd.

Heutige Saxophonhersteller vertreiben üblicherweise zwei bis drei Linien von Saxophonen - sog. "Student"-Modelle, evtl. (nicht immer) "Intermediate"- oder Fortgeschrittenen-Modelle, und die Professional-Linie. Nach oben sind den Qualitätsansprüchen und dem Preis kaum Grenzen gesetzt, aber bis dahin ist es ein mit Schweiß und viel Üben gepflasterter Weg, so dass das Sparbuch Zeit zum Wachsen hat. Gehen wir auf die erschwinglichen Linien ein.

 

Die Student-Baureihen sind in aller Regel maschinell gefertigt und kommen aus Gegenden wie Taiwan oder China. Das ist inzwischen weniger ein Qualitätsmakel als man das als unbedarfter Neuling empfinden mag. Insb. aus Taiwan kommen heutzutage z.T. ausgesprochen gute Instrumente, die sich trotz oder gerade wegen der exakten maschinellen Fertigung sehen und hören lassen können. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass auch "Budget"-Modelle, also Billigmarken (bei denen der Begriff "Marke" wohl eher Augenwischerei ist - ziemlich jeder der mag kann einen Container voll Saxophone importieren und seinen Namen draufgravieren) von dort kommen.

Die Student-Modelle sind in der Regel vergleichsweise einfach aufgebaut (soweit das bei einem so komplexen Instrument wie dem Saxophon überhaupt geht) und haben höhere Fertigungstoleranzen als die "besseren" Linien. Insofern ist die Bezeichnung irreführend, denn eigentlich sind "Studenten", also Lernende, nicht zwangsläufig diejenigen, die damit am besten klarkommen (allenfalls diejenigen, die sie sich am ehesten leisten können und wollen...).

Die Intermediate-Baureihen sind ein wenig problematisch, weil man den Eindruck haben kann, sie sind "Nichts halbes und nichts ganzes". Teilweise maschinell gefertigt, teilweise in Fernost oder Osteuropa zusammengebaut, sollte man in aller Regel etwas besseres Material und höhere Verarbeitungsqualität erwarten können. Nicht für alle Hersteller trifft das zu - umso mehr kommt es darauf an, sich das Instrument sehr genau anzuschauen. Mein Keilwerth EX90 III ist z.B. so ein Intermediate-Instrument, und definitiv eines, das diesen Status verdient und ihm gerecht wird.

Die Professional-Baureihen sind - natürlich - die teuersten "Serienmodelle", aus Gründen der Präzision heutzutage auch teilweise maschinell gefertigt, jedoch mit einem hohen Handarbeits-Anteil, sehr hoher Material- und Fertigungsqualität und oftmals mit Sonderausstattungen, die insb. dem fortgeschrittenen Spieler und Profi bei der Performance helfen können.

 

Okay, wir sprechen ja hier über den Einstieg, also welchen Weg solltest Du gehen, wenn Du Dir Dein erstes Horn aussuchst? (Und ich sage bewusst "Dein erstes" - wenn Du Spaß an der Sache findest, wird es höchstwahrscheinlich nicht Dein letzter Kauf sein - mein Kontostand weiß, wovon ich rede...)

Wie schon angedeutet, haben die billigen Neu-Instrumente ein paar mitgelieferte Schwächen:

- sie klingen nicht so gut

Diese Aussage ist natürlich relativ. Jemand mit viel Erfahrung am Saxophon - also durchaus auch ein Händler, der Dir ein vermeintlich preiswertes Modell anbietet - kann auch eine relativ billige Kanne zum Singen bringen, aber sei Dir darüber im Klaren, dass Du erst anfängst, und es bei Dir daher sicherlich nicht auf Anhieb genauso gut klingen wird.

- sie sind nicht unbedingt einfach zu spielen

Wie schon erwähnt wird ein Großteil der Saxophonproduktion heutzutage von Maschinen erledigt. Der Haken dabei ist, dass ein Roboter nicht sonderlich begabt darin ist, ein komplexes Instrument auf die Bedürfnisse des Spielers "feinzutunen". Um also überhaupt eine Spielbarkeit des Instruments garantieren zu können, sollte es mindestens einmal durch die Hände eines Fachmanns gegangen sein, der es "spielfähig" einstellt. Ein noch eingeschweißt im Koffer liegendes Instrument hat diese Feinarbeit oft nicht genossen (es gibt wie bei allem Hersteller, die da positiv auffallen und gut abgestimmte Instrumente ab Werk liefern!) und mag Dich unangenehm überraschen.

- sie halten nicht so lange

An dieser Einschätzung besteht absolut kein Zweifel - billigeres (oft auch dünneres) Material, maschinelle Fertigung und "Kistenschieberei" (Massenware) fordern bei der Qualität ihren Tribut. Mal ist der Lack nicht perfekt und fängt schon nach ein zwei Jahren an, erste Schäden zu zeigen, mal ist das dünnere Blech anfälliger gegen Stöße und bekommt schon Dellen, wo ein teureres Instrument den gleichen Stoß noch recht gut verkraftet hätte, und die ein oder andere Lötstelle oder Verschraubung löst sich auch schonmal in Wohlgefallen auf. Auch billigere Polster und Federn zeigen nach einiger Zeit des Gebrauchs deutlicheren Verschleiß als ihre aufwändigeren "Kollegen".

- sie sind nicht konsistent

Billige Hörner reagieren unterschiedlich auf schwankende Umgebungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) und stimmen dann in sich nicht mehr - was nicht heißen soll, dass hochwertige Hörner zwangsläufig in sich stimmen - ein 100% stimmendes Saxophon ist per definitionem nicht machbar... Auch ist es ein Irrglaube, dass wenn ein billiges Horn einmal von jemandem positiv getestet wurde, dann alle Hörner dieses Typs entsprechend ausfallen. Qualitätsschwankungen sind im unteren Preissegment nunmal leider an der Tagesordnung.

- sie sehen auf die Dauer nicht so toll aus

Natürlich macht es deutlich mehr Freude, auf einem strahlend schimmernden Horn zu spielen, als auf einem, das aussieht, als sei es bis vor kurzem noch eine Blechdose gewesen. Genau dieses Risiko besteht aber bei "Billig-Kannen", bei denen am Lack und der Blechstärke gespart wurde. Ein hochwertiges Saxophon, bei dem sich der Lack durch regelmäßige Nutzung an bestimmten Stellen abnutzt, gewinnt Patina. Ein Sax, dessen Lack an zufälligen Stellen abplatzt, sieht einfach nur grottenhäßlich aus.

Zur Ehrenrettung der Einsteigermodelle sei aber gesagt, dass es inzwischen durchaus erschwingliche Saxophone gibt, die an Verarbeitungsqualität und Spielbarkeit für einen Anfänger genug zu bieten haben, um sich ein paar Jahre daran festhalten zu können. Es gibt auch durchaus Hersteller, die genug auf sich halten, um eine vernünftige Qualitätskontrolle zu betreiben. Da sind dann durchaus zwischen fünf und acht Hörnern von zehnen sehr brauchbare Stücke, und ein entsprechend umsichtiger Händler wird die verbleibenden als fehlerhaft zurückschicken und sie nicht seinen Kunden andrehen. Auch hier sei ganz klar gesagt, auf Händler mit Ladengeschäft, die wenigstens eine als solche erkennbare Abteilung für Holzblasinstrumente haben, ist in aller Regel Verlass. Im Internet mag das mitunter anders aussehen - womit wir wieder bei meiner anfänglichen Warnung wären.

Wenn Du mit dem Saxophonspiel beginnst, wirst Du Deine Lippen um eine beeindruckende und komplizierte Maschine schließen. Deine ersten Spielversuche werden im Ergebnis wahrscheinlich nach einem Elefanten mit Atemwegsproblemen klingen. Machst Du diese Gehversuche auf einem 300-Euro-Horn, wirst Du Dich obendrein noch fragen müssen, ob der seltsame Klang nur auf deine unentwickelten Fähigkeiten oder evtl. doch auf die Beschränkungen der Kanne zurückzuführen sind.

Wenn Du es ernst meinst mit dem Saxophonspiel, dann bist Du gut beraten, ein ernstzunehmendes Saxophon zu kaufen. Zwei bis drei Riesen für ein Saxophon auszugeben mag im ersten Moment ein bedrückender Gedanke sein, andererseits ist es geradezu unglaublich motivierend. Gibst Du erst einmal ein Monatsgehalt für ein Horn aus, wirst Du es auch spielen lernen, und wenn es Dich umbringt!

Selbstverständlich muss hier nochmal gesagt werden, dass diese Einstellung allenfalls für den erwachsenen Anfänger greift. Einem Kind oder Jugendlichen ein 3000-Euro-Saxophon in die Hand zu drücken, hat angesichts der sonstigen Umsichtigkeit dieser Altersgruppe etwas Traumatisches. Auch kann für Dich schon der Motivationsschub durch den Kauf eines guten (!!!) 1000-Euro-Einsteigermodells vollkommen ausreichend sein, um lange Freude daran zu haben. Ein bisschen muss bei Deiner Entscheidung das mitspielen, was Dir keiner abnehmen kann: Dein gesunder Menschenverstand.

Welchen Saxophonhersteller solltest Du wählen?

Wenn Du Dich nach Angeboten umschaust, wirst Du Dich wundern, wieviele "Marken" um die Gunst der Käufer buhlen. Schaut man etwas hinter die Kulissen, ergibt sich ein etwas anderes Bild.

Einen kompletten Überblick über die Hersteller, ihre Instrumente und deren Stärken und Schwächen kann ich hier nicht geben. Wenn Du aber irgendwo nach Empfehlungen fragst, wirst Du zwangsläufig mit dem Begriff der "Big Four" konfrontiert werden. Diese großen Vier sind die Hersteller Selmer, Yamaha, Yanagisawa und Keilwerth. Daneben werden einige "Budget"-Hersteller auftauchen, deren Produkte durchaus eine ernstzunehmende Alternative sein können - zwar nicht im professionellen Bereich, aber für den ambitionierten Einsteiger und Hobbyisten auch langfristig von Freude sind z.B. Saxophone von Jupiter, Expression, Prestini, Orsi. B&S als Nachfolgeunternehmen der früheren DDR-Marken B&S bzw. Weltklang liegt je nach Modellreihe mal im einen mal im anderen Segment. Ich möchte nur auf die "Big Four" kurz eingehen - über die anderen findest Du im Netz genügend Infos falls Du es für notwendig erachtest, Dich in diese Richtung zu orientieren:

 

Keilwerth:

Ich fange damit an, weil mein derzeitiges Hauptinstrument ein EX 90 III ist, und eins meiner Trauminstrumente ein SX90R "Shadow" (nein, der finanzielle Spielraum erlaubt das noch nicht). Keilwerth-Instrumente sind von der Bauform an klassische amerikanische Saxophone angelegt und entwickeln einen dunklen, kräftigen Ton, der sehr gut in den Bereich Jazz/Blues passt. Keilwerth baut standardmäßig drei Baureihen ("ST" als Studentmodell, "EX" als Intermediate / semi-professionell und "SX" als Top-Linie), wobei es beim SX noch einige Detailausprägungen bis hin zu den von Insidern geschätzten gebördelten Tonlöchern und einem Instrumentenkorpus aus Neusilber gibt. Wer ein Horn für Big Band und Soli im Bereich Jazz, Balladen und Blues sucht, wird nicht darum herumkommen, ein Keilwerth auszuprobieren.

 

Selmer:

Die Firma Selmer begann auf den Resten dessen, was nach seiner Pleite von Adolphe Sax' Unternehmen übrig war - man könnte sagen, Selmer Saxophone kommen direkt vom Ursprungsort des Saxophons. Auch wenn das nicht das erste Kriterium sein sollte - Selmer Instrumente sind von den Serien-Instrumenten eindeutig die teuersten. Inwieweit Preis und Qualität korrelieren, darüber gibt es geteilte Meinungen. In jedem Fall ist unbestreitbar, dass Selmer die technische Entwicklung des Saxophons meist angeführt hat, eine ausgesprochen hohe Qualität liefert, und die Instrumente über ein sehr breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten verfügen. Trotz dieser Vielseitigkeit hat jedes Instrument etwas Einzigartiges - ein Phänomen, das man auch als "Seele" bezeichnet.

 

Yamaha:

Einer der beiden namhaften japanischen Hersteller - und sicherlich der mit der größeren Marktdurchdringung. Yamaha-Fans mögen mich steinigen, aber ich empfinde Yamaha-Saxophone als die "stimmendsten", wenn es um die Exaktheit der Intonation geht, gleichzeitig aber auch als die "seelenlosesten" - sie sind sicherlich perfekt in Entwicklung und Verarbeitung, aber es fehlt ihnen das letzte Quentchen Persönlichkeit. Im Top-Segment mag es da Unterschiede geben, aber die vorgenannten Hersteller überzeugen da mehr. Nichtsdestoweniger sind die Einsteigermodelle von Yamaha wahrscheinlich mit die perfektesten Schülerinstrumente am Markt (sie tun eben genau das, was im Lehrbuch steht), und der Spieler wird nur durch seine eigenen Fähigkeiten, nicht jedoch durch technische Einschränkungen des Instruments gebremst.

 

Yanagisawa:

Bezeichnenderweise sind zwei Japaner unter den modernen "Big Four". Die "Yanis" sind von denen, die welche spielen, als noch ein bisschen perfekter als die Yamahas, gleichzeitig aber mit "mehr Seele" eingestuft worden. Das ist mindestens so subjektiv wie meine Einschätzung der Yamahas. Wenn Du ein ernsthaftes (= teures) Saxophon kaufen möchtest, sollte beim Ausprobieren ein Yani mit in der Reihe stehen. Wenn es zu Dir passt, wirst Du es merken.

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©2005 Gereon Stein - Verwendung auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors

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