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Das Selmer Padless!

Angedeutet hatte ich es ja schon mehrfach, aber jetzt wird endlich gezeigt, was Sache ist:

Das Selmer Padless Saxophon ist ein Instrument mit einer interessanten und leider – zumindest für mich – noch nicht eindeutig nachvollziehbaren Geschichte. Daher mal so ungefähr das, was ich bislang zusammenreimen konnte:

Im Jahre 1939 hat Eugene Sander von der H&A Selmer, Inc., Elkhart, Indiana, USA, eine Eingebung: Er meldet einen völlig neuen Ansatz für die Abdichtung der Klappen von Holzblasinstrumenten zum Patent an. Das Patent mit der Nummer 2,227,230 kann online eingesehen werden, und zwar beim US Patent Office (Patentnummer dort bitte als 02227230 eingeben, dann klappt’s!).

Das Ergebnis seiner Entwicklung sieht beispielhaft etwa so aus:

Tonlochringe
Die patentierten Tonloch-Dichtungsringe
Über das, was nun folgt, sind sich die verfügbaren Quellen uneins. Die Legende sagt in etwa das folgende:Die amerikanische H&A Selmer, Inc. (Selmer USA) steht 1940 nach Ausbruch des 2. Weltkriegs vor einem Problem: Aus Europa kommen keine Profiinstrumente mehr, weil die französische Mutterfirma kriegsbedingt die Produktion einstellen muss. Amerika ist zu diesem Zeitpunkt nicht aktiv im Krieg, die Firma braucht also ein hochklassiges Produkt für den heimischen Markt.Selmer USA geht eine Partnerschaft mit dem amerikanischen Hersteller Buescher ein, und gemeinsam wird ein Instrument entwickelt, das im wesentlichen aus einem modifizierten Buescher Korpus und der etablierten „Radio Improved“ Mechanik von Selmer besteht. Die Klappen jedoch sind plan geschliffen – dafür werden als Dichtung die von Eugene Sander zum Patent angemeldeten Ringdichtungen eingebaut. Das Ganze soll später den Spitznamen „Selmer Padless“ erhalten. Es werden Varianten als Alto und Tenor Saxophone angeboten, eine Quelle nennt Listenpreise von $250 für das Alto und $275 für das Tenor.Nebenbei sollte erwähnt werden, dass die Grundkonstruktion die Basis der späteren Bundy-Saxophone bilden sollte – ob das damals schon Intention der Entwickler war, ist wohl nicht mehr zweifelsfrei feststellbar.

Übrigens findet sich bei cybersax.com eine schöne Beschreibung eines Padless Altos plus deren englischsprachige Version der Geschichte des Padless. Ob die Chronologie dort näher an der tatsächlichen Geschichte ist – wer kann das nach fast 70 Jahren schon noch sagen? Realistisch erscheint allerdings die Einschätzung, dass die Linie wegen technischer Probleme bei der Herstellung und Wartung der Instrumente – die Dichtungsringe waren damals aus Leder mit Papiereinlage, und dementsprechend anfällig für Undichtigkeiten – wieder eingestellt wurde.

Soviel zur Geschichte. Überschlagsmäßig etwa 55 Jahre später gelangt eines dieser Saxophone, in diesem Fall ein Tenormodell, in meinen Besitz. Von den klassischen Dichtungen ist nichts mehr vorhanden, stattdessen befinden sich vom Alter verhärtete Gummiringe in den entsprechenden Ringvertiefungen. Damit machen die Klappen einen Höllenlärm, dennoch ist das Instrument leidlich von Tief-F bis ins hohe Register spielbar. Das, was an Tönen herauskommt, spricht eine deutliche Sprache: Dieses Saxophon muss wieder „singen“ lernen. Das Design mit den plangeschliffenen Klappen und die spezielle Bauweise sorgen für ein Resonanz- und Anspracheverhalten, das ganz einzigartig ist. Es wäre eine Sünde, dieses Instrument weiter im Dornröschenschlaf liegen zu lassen…

2 Kommentare

  1. Hallo. Bin ebenfalls der Meinung, dass dieses „PADLESS“ mehr Aufmerksamkeit verdient als es derzeit der Fall ist. In meiner Sammlung befindet sich seit sehr langer Zeit solch ein Tenor mit Koffer in einem unglaublich guten und originalen Zustand. Wenn also jemand mal Fragen nach besonderen Details hat, würde ich mich hilfreich verhalten. Gruss, Richard

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